PCT Woche 9 – Meile 618 bis bis Kennedy Meadows

von | Mrz 11, 2021 | 4 Kommentare

Die neunte Woche auf dem Pacific Crest Trail ist vorüber und es ging von Meile 618 bis nach Kennedy Meadows. Was alles in PCT Woche 9 passiert ist, erfahrt ihr in diesem Beitrag. Falls ihr den Beitrag der achten Woche verpasst habt, hier geht es zum Beitrag: PCT Woche 8.

Karte – Pacific Crest Trail Woche 9

28. November 2020 10:10
  • Distanz 135 km
  • Zeit 33 h 41 min
  • Geschwindigkeit 4.0 km/h
  • Min Höhe 1401 m
  • Gipfel 2440 m
  • Aufsteigen 4664 m
  • Absteigen 4218 m
  • Distance Instructions
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Tag 57: 1.000 km und eine wichtige Entscheidung

Tag: 01. Juni 2019
Distanz: 17.6 mi, 28,16 km
Kumuliert: 635.3 mi, 1.016,48 km

Ich mache mich heute früh auf den Weg, denn mein Plan ist es mindestens 20 Meilen (ca. 32 km) zu laufen. Es gibt kaum Schatten und die Sonne brennt auf mich herunter. Ich erreiche die 1.000 km Marke und jeder meiner Schritte ist von Schmerzen begleitet. Dennoch – 1.000 km gewandert! Es fühlt sich gut und komisch, denn das ist eine verdammt lange Strecke. Dennoch ist es auf dem PCT  nicht einmal ein Viertel des gesamten Weges.

Dieser Gedanke hängt nach. Ich möchte eine Pause machen, um die Aussicht zu genießen, gehe jedoch weiter und sage mir: „Ich muss weiter laufen, sonst schaffe ich die heutigen 20 Meilen nicht„. Ein innerer Konflikt bricht aus. Ich erinnere mich an meinen Traum von vor zwei Tagen: Ich sitze am Flughafen in Deutschland und freue mich auf den PCT, bin aber noch nicht gestartet… Ich zwinge mich daher eine Pause zu machen und schreibe folgendes in mein Notizbuch:

„Ich sitze gerade in der Wüste, 23 Meilen vor dem Walker Pass. Ich habe Angst das Ziel nicht zu erreichen, nicht in Kanada anzukommen. 

Was ist mir wichtig? Auf dem Trail die Natur, Menschen und alles was dazu gehört zu genießen oder ist es das ultimative Ziel in Kanada anzukommen? Mit dem Ziel im Kopf in Kanada anzukommen entsteht ein höllischer Druck. Ich habe gerade die 1.000 km Marke überschritten, kann mich nicht freuen und denke nur an das Ziel…

Ich will das nicht. Das Ziel sollte, nein, muss ein Bonus sein. Ich will den Weg genießen, in jedem Schritt mein „Ich“ fühlen und mit dem Weg verschmelzen. Vielleicht schaffe ich das. Ich habe noch 3.300 km vor mir. Ich versuche im „Jetzt“ zu laufen.“

Danach sitze ich für ca. 30 Minuten auf einem Stein und schaue auf die atemberaubende Landschaft.

PCT - Ausblick von einem Stein
PCT – Ausblick von einem Stein

Andrew „Enterprise“ kommt vorbei und wir grüßen uns. Ich freue mich ihn zu sehen, denn er ist einen Tag nach mit gestartet. Nach meiner Pause wandere ich weiter und sehe 20 Minuten später das Zeichen meiner Trailfamily auf dem Boden (ein Viereck mit Punkt in der Mitte). Eine weitere Pause mit Mockingjay und Rabbit Rabbit, die ich dankend annehme.

Anschließend geht es langsam und entspannt weiter. Ein steiler Anstieg am Abend liegt vor mir und ich merke, dass ich die angestrebten 20 Meilen heute nicht schaffen werde. Das ist für mich in diesem Augenblick zum Glück auch nicht mehr wichtig.

Tag 58: Walker Pass und ein Wiedersehen mit Caminofreunden

Tag: 02. Juni 2019
Distanz: 16 mi, 25,75 km
Kumuliert: 651.3 mi, 1.048,16 km

Mein Wecker klingelt sehr früh, denn ich versuche 14:00 am Walker Pass zu sein, um meine beiden Freunde Barb und Kenn vom Jakobsweg wiederzusehen. Mir geht es an diesem Morgen nicht gut und ich habe Magenprobleme. Zur Not werfe ich eine Imodium Akut ein und hoffe auf eine schnelle Wirkung. Gegen 5:30 beginnt es zu dämmern und ich habe 16 Meilen vor mir. Ich kann die Strecke bis 14:00 schaffen.

Der Sonnenaufgang ist heute magisch und da es noch so früh ist, sehe ich keine anderen Wanderer. Gegen 8:00 mache ich eine kurze Teepause. Danach komme ich gut voran und laufe mit dem Rhythmus 2,5 h schnell wandern und anschließend 30 Minuten Pause machen. 14:10 Uhr erreiche ich Walker Pass. Meine Freunde sind noch nicht da aber es gibt Trailmagic. Für einen Witz oder ein spontanes Haiku bekommt man ein kaltes Bier. Ich krame den einzigen und schlechtesten Witz aus der mir einfällt und nehme das eiskalte Bier feierlich entgegen.

Ein paar Minutes später kommen Ken und Barb um die Ecke. Ich freue mich riesig sie zu sehen und wir fahren mit ein paar anderen Wanderern nach Ridgecrest. Ich schreibe Oilking, der sein Paket erfolgreich in Onyx abgeholt hat, und wir treffen uns mit Ken und Barb in einem Restaurant zum Mittagessen. Es tut gut Oilking wiederzusehen und wir erzählen Ken und Barb was wir alles in den letzten Wochen erlebt haben.

An diesem Tag gibt es viel zu koordinieren, Rabbit Rabbit und Mockingjay sind auch in Ridgecrest eingetroffen und fahren mit Oilking zum Trailangel Laura (Pancakes). Seashells und Lawrence of Cascadia sind noch am Walker Pass. Ken, Barb und ich machen daher noch eine Tour, um die beiden vom Walker Pass abzuholen. Ein tolles Wiedersehen, auch wenn wir uns nur ein paar Tage nicht gesehen haben. 

In diesem Augenblick sehe ich auch Biskit wieder, den ich das letzte Mal in Hiker Heaven gesehen habe. Wir fahren alle glücklich und erschöpft nach Ridgcrest, checken in ein Super8 ein und lassen den Abend mit Pizza, Bier und Geschichten vom PCT ausklingen.

Tag 59: Ruhetag in Ridgecrest

Tag: 03. Juni 2019
Distanz: 0 mi, 0 km
Kumuliert: 651.3 mi, 1.048,16 km

Am Morgen gibt es ein ausgiebiges Frühstück im Super8 mit anschließendem Gruppenfoto. Danach fahren wir mit Ken und Barb zu Walmart, um uns mit Lebensmitteln für die nächsten drei Tage bis Kennedy Meadows einzudecken.

Ich bin auch auf der Suche nach ordentlichen Pflastern, Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel, da sich meine Blasen an den Füßen nicht verbessert haben. Um ehrlich zu sein ist es nicht so einfach gutes Verbandsmaterial zu finden. Zumindest wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll – die meisten Pflaster in den USA kleben einfach nicht richtig.

Nach dem Großeinkauf bei Walmart (Ja, man kann in einem normalen Supermarkt Waffen kaufen – siehe Fotogalerie) fahren wir gemeinsam zum Trailangel Laura (Pancakes), wo Rabbit Rabbit, Mockingjay und Oilking übernachtet haben und wir verabschieden uns alle von Ken und Barb.

Bevor es zurück zum Trail geht, wollen wir uns alle den Bauch vollschlagen und statten dem mexikanischen Restaurant „Casa Corona“ einen Besuch ab. Hier gibt es große Portionen und eiskaltes Bier. Nach dem Essen geht es per Anhalter zurück zum Walker Pass.

Tag 60: ein unerwarteter Ruhetag

Tag: 04. Juni 2019
Distanz: 0 mi, 0 km
Kumuliert:651.3 mi, 1.048,16 km

Ich stelle mir den Wecker extra früh, da meine Blasen nicht besser geworden sind und ich dadurch langsamer laufen werde als die Anderen. Ich packe daher alles zusammen und bin gegen 06:30 startklar.

Auf einmal steht der Trailangel „Hobo Joe“ vor mir und fragt mich mit einem verlegenen Lächeln, ob ich ein Frühstück mit Spiegelei und einen frisch gebrühten Kaffee haben möchte. Ich kann nicht anders als „JA“ sagen. Es ist um mich geschehen und ich trinke meinen ersten Irish Coffee Punkt 07:00.

Ich werde diesen Tag keinen Meter laufen und bin in guter Gesellschaft. Wir beschließen alle zu entspannen, Bier zu trinken, Eis zu essen und Spiele zu spielen. Es ist pure Magie und wir genießen den Ruhetag, bevor es am nächsten Morgen „wirklich“ die letzten Etappen nach Kennedy Meadows, dem offiziellen Ende der Wüste, geht.

Tag 61: Besorgnis um meine Füße

Tag: 05. Juni 2019
Distanz: 21.5 mi, 34,6 km
Kumuliert: 672.8 mi, 1082,76 km

Ich starte an diesem Morgen zusammen mit Seashells, da wir die langsamsten sind und etwas Vorsprung aufbauen wollen. Es geht direkt über den Walker Pass und anschließend einen 10 km steilen Anstieg bergauf.

Oben angekommen, machen wir eine Pause und werden auch schon von Lawrence of Cascadia, Oilking, Rabbit Rabbit und Mockingjay eingeholt. Nachdem es weitergeht, falle ich zurück. Meine Blasen schmerzen unheimlich und ich muss mehrere Male anhalten, um meine Füße zu verarzten. In dieser Gegend ist das nicht so einfach, da es kein Wasser zum Waschen der Wunden gibt.  

Ich komme an diesem Tag nur langsam voran und quäle mich den letzten Anstieg zum Camspot hinauf. Als ich Camp ankomme, ziehe ich meine Schuhe aus, werfe einen Blick auf meine Blasen und Zweifel kommen auf. Ich weiß nicht, was ich von den Wunden halten soll. Sie sind dreckig und voller Sand.

Ich hinke zu Lawrence of Cascadia und frage ihn was er davon hält und ob es etwas Schlimmeres werden könnte. Er schaut mich an und sagt nur kurz und knapp „No man, it’s OK!“ In seinen Augen sehe ich, dass er besorgt ist und es wahrscheinlich schlimmer aussieht als ich mir eingestehen möchte. 

Tag 62: Ein kleines Wunder

Tag: 06. Juni 2019
Distanz: 20.7 mi, 33,3 km
Kumuliert: 693.5 mi, 1116,08 km

Es geht an diesem Morgen wieder früh los und es ist die vorletzte Etappe vor Kennedy Meadows. Meinen Füßen geht es schlecht und jeder Schritt ist purer Schmerz. Ich brauche für die ersten 6 Meilen (ca. 10 km) knapp 4 Stunden und es geht nur bergab. Es ist ein purer Kampf mit meinem Körper und mir inmitten einer unwirklichen und menschenfeindlichen Gegend. 11:00 komme ich am Chimney Creek an und kann mein Glück nicht fassen. Der kleine Bach führt fließendes und sauberes Wasser. 

Da die Sonne auf mich herunterbrennt, setzte ich mich in den Schatten eines Baumes und beschließe eine lange Pause einzulegen und mich zu verarzten. Ich suche meine Verbandssachen und begebe mich zum Wasser. Ein Stein am Rand dient mir als Sitzgelegenheit und ich beginne meine Wunden zu säubern. Es dauert eine Weile, bis sie gewaschen sind und mit Glück stelle ich fest, dass nichts in die tieferen Hautschichten eindringen konnte. Ich blicke zufrieden auf rosafarbenes Fleisch und bin bereit meine Füße zu versorgen.

Mit viel Gefühl und Sorgfalt beginne ich mit der Prozedur. Nach einer Stunde sind meine Füße so stark mit Pflaster und Tape abgeklebt, dass ich theoretisch bis Kennedy Meadows wandern kann und nichts mehr an den Füßen machen muss. Anschließend gönne ich mir eine weitere Stunde Pause im Schatten und schlafe.

Gegen 13:30 bin ich bereit loszulaufen und es fühlt sich besser an. Die Schmerzen in meinen Füßen sind erträglich und es ist eine deutliche Verbesserung zum Morgen. Es liegt nun der letzte steile Anstieg nach Kennedy Meadows vor mir. 

Nach ein paar Stunden fängt es an zu gewittern und ich gerate in einen Hagelsturm. In diesem Moment denke ich nur an meine Füße und hoffe, dass die Verbände halten und nicht aufweichen. Wie in Trance laufe ich den Berg hinauf und durch den Hagelsturm hindurch. Oben angekommen mache ich eine erneute Pause und trockne meine Sachen. Anschließend geht es Bergab ins Tal.

Als ich am ersten Campspot ankomme, sehe ich Oilking, Rabbit Rabbit und Mockingjay, die schon ihre Zelte aufgeschlagen haben. Ich beschließe weiterzulaufen, da ich gerade keine Schmerzen in meinen Füßen habe. Mein Ziel ist es so weit zu laufen wie möglich, da ich nicht weiß, wie sich meine Füße am nächsten Morgen anfühlen werden.

Es ist dunkel als ich im Tal ankomme und mein Zelt aufbaue. Nach diesem harten Tag bin ich froh noch so weit gekommen zu sein und es gleicht einem kleinen Wunder. Morgen geht es nach Kennedy Meadows und es sind nur noch 8 Meilen zu laufen.

Tag 63: Ankunft in Kennedy Meadows und ein ernstes Gruppengespräch

Tag: 07. Juni 2019
Distanz: 8.7 mi, 14 km
Kumuliert: 702.2 mi, 1130,1 km

Am nächsten Morgen wache ich etwas später auf und esse eine Kleinigkeit. Meine Füße schmerzen noch immer, doch sie fühlen sich besser an. Da kommen auch schon Oilking, Rabbit Rabbit und Mockingjay vorbei. Biskit taucht auch auf, der nur knapp 20 Meter neben mir hinter einem Gebüsch geschlafen hat. Wir machen uns alle auf nach Kennedy Meadows.

Die 8,7 Meilen (ca. 14 km) nehmen kein Ende und die Strecke kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Dennoch erreichen wir gegen Mittag Kennedy Meadows, laufen gemeinsam ein und werden, wie alle Hiker, mit einem tosenden Applaus begrüßt. Als Erstes bestellen wir Bier und etwas zu Essen. 

Die letzten Wochen waren nicht einfach zu wandern und auch in unserer Gruppe gab es Spannungen. Viele Hiker wandern in Gruppen, es gibt aber auch viele Hiker die allein wandern wollen. Ich gehöre definitiv zur ersten Kategorie.

Das Wandern in einer Gruppe ist für mich komfortabler, bietet Sicherheit und man hat vor allem mehr Spaß in der Gruppe. Man geht dadurch eine Art Beziehung mit seiner Trailfamilie ein, wo man einander vertraut und aufeinander zählen kann. Wie in jeder Beziehung können die Dinge aber auch kompliziert werden und das gilt auch für den PCT.  Auf dem PCT gibt es dafür auch einen einfachen Grund:

Alle in einer Trailfamilie gehen tagtäglich an ihren Grenzen, sind hungrig, müde, haben Schmerzen und Erwartungen an sich und den Weg. Das Ergebnis ist, dass man in einer Gruppe viele Kompromisse eingehen muss und sich manchmal missverstanden oder nicht gehört fühlt. So auch bei uns.

Nach ein paar Bieren mit Mockingjay, Rabbit Rabbit und Oilking meinte Mockingjay dann schließlich „Wir müssen reden, bevor es weiter in die Sierra geht!“. Eine Ansage, die es in sich hatte. Es wurde auf den Tisch gepackt, was jeder zusätzlich zum Rucksackgewicht mit sich herumgeschleppt hat. Es wurde alles unausgesprochene ausgesprochen und gleichzeitig konnten wir uns als Gruppe sagen, warum wir zusammen wandern wollen.

Es war befreiend und gut für uns als Trailfamilie, denn am Ende konnten wir eines mit Gewissheit sagen: „Wenn es ernst wird, reißen wir uns den Arsch füreinander auf.“


Fazit

Die neunte Woche auf dem Pacific Crest Trail ist vorüber. Meine Füße schmerzen noch immer, aber wir sind in Kennedy Meadows angekommen. Die Gruppe spricht sich aus und leckt ihre Wunden. In den nächsten Tagen geht es ins Hochgebirge – die Sierra Nevada. Seid gespannt wie es auf dem PCT weitergeht. 

Falls euch dieser Beitrag gefallen hat, freue ich mich über ein Like, ein Herz oder ein Lächeln auf eurem Gesicht. Falls ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt, freue ich mich auf eure Kommentare.

Liebe Grüße, Martin

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Hi, I’m Martin and I love hiking.

I did my first big hike on the Camino de Santiago in 2012. Since then, I’ve just loved being out on trails. Read more

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